Corporate Design als Prozess

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Vom Visual Branding Gap zum Umdenken

Ein Corporate Design (CD), das als Projekt und nicht als Prozess gedacht ist, wird mit der Zeit zwangsläufig scheitern. Das hört sich schlimmer an, als es eigentlich ist.

Stellen Sie sich Ihr neues Erscheinungsbild – das CD – vor wie einen Maßanzug: Er passt wie angegossen – solange Sie nicht zunehmen oder abnehmen, sich also verändern.
Nun ist Veränderung und Wachstum aber in der DNA der meisten Unternehmen fest verankert. Ständiges Wachstum an sich muss dabei nicht zwingend ein Indikator für den Erfolg einer Unter-nehmung sein, aber wer sich nicht an neue mediale Gegebenheiten oder Marktveränderungen anpasst, wird das recht bald merken.
Und da sind wir beim Kern des Problems: Ein Corporate Design wird meist nur im Ist-Zustand gedacht; Prognosen für neu entstehende Anwendungen und Medientypen werden nicht erstellt oder sind unzuverlässig. Aber das ist systemimmanent und lässt sich nicht vermeiden.

Wartung und Pflege für die Marke zu Beginn

Corporate Designs werden aus unterschiedlichen Töpfen finanziert, Kommunen zum Beispiel nutzen auch Fördergelder. Das Budget für die Erstellung eines Erscheinungsbildes wird dabei innerhalb einer definierten Projektphase aufgebraucht, das Erscheinungsbild, Anwendungsbeispiele, Daten und das Manual an die Kommune übergeben. „Geh mit Gott!“ denkt sich der Designer, und der Auftraggeber geht mit großen Schritten voran. Das Marketing einer Kommune wird aber eher selten zentral koordiniert. Es könnte eine Pressestelle geben, einen Tierpark, mehrere Museen, eine Stabstelle Wirtschaftsförderung, eine für Tourismus etc … An diese wird das Corporate Design jetzt in Form eines Manuals (meist ein umfangreiches PDF) verteilt. Alle diese Einheiten werden mehr oder minder autark agieren und Maßnahmen teilweise selbst umsetzen. Nur einige davon werden naturgemäß Erfahrung in der Benutzung solcher Manuals haben und die Designs gut in neue Maßnahmen adaptieren können oder auch nur wollen.

Viele Köche verderben den Brei oder tun gar nichts

Was dann damit passiert? Dazu ein kleines Gedankenexperiment: Stellen Sie sich einfach vor, Sie müssten Ihre Morgenhygiene aus einer diffusen Erinnerung heraus vollbringen (Rasieren, Kämmen, Schminken, je nach persönlicher Vorliebe, Geschlecht oder auch nur unglücklich starken Bartwuchs). Stellen Sie sich vor, Sie müssten das ohne Zugang zu Spiegeln machen. Und jetzt stellen Sie sich weiterhin vor, Sie wüssten nicht genau, welche Ihrer fünf multiplen Persönlichkeiten jeweils dabei am Drücker wäre… Haben Sie nun ein Bild vor Augen? Richtig: Genau so sehen Sie dann nach einem Jahr aus!

Eine wirkliche Motivation der verschiedenen Stellen und Teams, sich in Bezug auf die Einhaltung des Corporate Designs oder dessen Erweiterung abzustimmen, gibt es kaum. Das wäre, als müsste man die Zimmer seiner Geschwister aufräumen, egal, ob man einen solchen Prozess als Bring- oder Holschuld definiert. Wenn das nicht expliziter Teil der Aufgabenstellung ist, wird das niemanden kümmern. Und ein Budget für ein (meiner Erfahrung immer wieder nötiges) externes Monitoring oder für zeitnahe und bedarfsgerechte Überarbeitung wird es in vielleicht fünf oder zehn Jahren wieder geben.

Übertragen auf das Corporate Design, nenne ich das die Visual Branding Gap.

Reibungsverluste kosten Geld und Nerven

Diese traditionelle Vorgehensweise wird also oft mit einer über den Zeitraum zwischen zwei externen Corporate-Design-Überarbeitungen verschlechternden Gesamtqualität des Erscheinungs-bildes bezahlt, selbst wenn sich Kernwerte und Aussage des Senders über den gesamten Zeitraum nicht ändern (was aber in den meisten Fällen nur Annahme oder Wunschdenken ist). Die entstehenden Reibungsverluste zwischen interner Öffentlichkeitsarbeit/Marketing und den externen Dienstleistern, die im Rahmen eines starr definierten Corporate Designs neue Anwendungen um-setzen, kosten ebenfalls Zeit, Geld und Nerven.
Social Media bringt neue Anforderungen ins Spiel: Reels bei Tiktok oder Instagram wurden bei-spielsweise innerhalb der letzten drei Jahre ein wichtiges Kommunikations- oder Kampagnentool. Logofly – eine animierte Umsetzung Ihres Logos- und eine Sound-Signatur sind nun notwendig. Lassen sich definierte Bilderwelten auch auf bewegte Bilder umsetzen? Es gibt also gute Gründe, auch im vermeintlich kleineren Maßstab ein „Brand Management” zu betreiben und Corporate Design als Prozess zu begreifen.

Bedarfsanalyse: Was funktioniert? Was wird gebraucht?

Zu Beginn des Prozesses steht natürlich eine Bedarfsanalyse. In einer idealen Welt werden hier alle benötigten und auch benutzten Kommunikationsmittel- und Tools gesammelt und gesichtet – was hat gut funktioniert, was nicht? Wo lagen dort die Schwierigkeiten in der Anpassung, wie gut ließen sich einzelne Werbeträger und Kommunikationsmittel modifizieren? Wo sind Brüche zu erkennen? Wo sind zwischen Marken und eventuellen Submarken Differenzierungen erforderlich? Allein die Analyse kann je nach Größe Ihres Unternehmens, der Unternehmensgeschichte und dem Umfang ihrer Kommunikation sehr aufwendig sein. Und nicht immer macht es Sinn, jedes Kommunikationsmittel neu und rigide zu definieren. Einerseits ist es schlichtweg eine Kosten-/Nutzenfrage, andererseits beschneidet die schiere Anzahl an rigiden Definitionen die Flexibilität bei der Erstellung neuer und angepasster Kommunikationsmittel. Die umfangreiche Analyse bietet jedoch die Basis für die Entscheidung, welche Elementen neben den Basis-Elementen definiert werden sollten und welche sich aus der Arbeit mit dem Corporate Design sozusagen on the fly ergeben. Ein geringer Umfang an definierten Elementen mag aus Kostengründen erst einmal attraktiv erscheinen: Logo, Farben, Typografie, ein paar wenige Anwendungen, eine kleine Bilderwelt. Aber das ist ein Trugschluss: Jede definierte Anwendung, ob Instagram-Post, Datenblatt, Fahr-zeugbeschriftung, was auch immer, ist auch ein Proof-of-Concept. Fehlen diese, kann das Corporate Design zwar hübsch aussehen, ob es im operativen Alltag gut funktioniert, ergibt sich aber nur aus den Anwendungen.

Gut sortierter Werkzeugkasten

Idealerweise besteht ein Corporate Design also aus mehreren Elementarten: Das Logo oder Signet selbst steht für sich, Farben, Typografie, Bildwelten und Raster entscheiden über die grundsätzliche Anmutung. Daraus ergeben sich weitere Elemente: Störer, Bild-Wort-Kombinationen, Buttons, Formularelemente – alles, was zwar kleinteilig erscheint, aber grundlegend mitentscheidend für die Anmutung der einzelnen Anwendungen ist. Die Anwendungen (Kataloge, Anzeigen, Website, Social-Media-Templates, etc.) selbst bilden die letzte Stufe dieser „Elemente-” oder auch „Asset-Hierarchie” ab. Sie sehen: auch der Corporate-Design-Prozess als Ganzes ist recht ähnlich den Prozessen im Web- oder App-Design. Und wenn dieser Werkzeugkas-ten gut sortiert ist, lässt sich auch einfach und unkompliziert mit ihm arbeiten.

Vorteile von Corporate Design-Systemen

  • Verringerter Aufwand in der Kommunikation mit Dienstleistern
  • Bessere Kontrolle des gesamten Erscheinungsbildes in Bezug auf alle Kommunikationsmittel
  • Geringere initiale Projektkosten, da zu Beginn die Anzahl der zu definierenden Anwendungen kleiner sein kann – größere Liquidität
  • Kontrollfunktion und Monitoring wird in den allgemeinen Arbeitsablauf des Marketings integriert

Brand Management: Ein hilfreiches Tool

Zur Abbildung dieser Hierarchie gibt es diverse Brand-Management-Tools, die das integrierte Arbeiten mit dem Erscheinungsbild (oder eben der Brand) eines Unternehmens deutlich erleichtern und wesentlich besser geeignet sind als die traditionellen Werkzeuge wie dem Design Manual und der zentralen Ablage auf einem Dateiserver – oder im schlechtesten Fall der dezentralen Dokumentation und Ablage bei verschiedenen Abteilungen des Marketings oder auch bei verschiedenen Dienstleistern. 

Bekannte Tools sind hier Cloudbasierte Plattformen wie Frontify, die neben dem eigentlichen Styleguide alle Elemente, hier auch Assets genannt, abbilden können und per-fekt für die kollaborative Arbeit zwischen verschiedenen Teams und Dienstleistern gerüstet sind. In solchen Systemen gibt es eine dezidierte Rechte-Verwaltung, die es erlaubt, verschiedenen Nutzern Rollen zuzuteilen. Auch gibt es hier die Möglichkeit, bestimmte Inhalte nur bestimmten Zielgruppen zuzuordnen –gerade bei komplexen Brands kann das die Arbeit mit dem Erschei-nungsbild vereinfachen und somit Zeit und Kosten sparen. Im Grunde ist ein Brand-Management-Tool nichts anderes als ein visuelles Content-Managementsystem für Ihr Unternehmen oder Ihre Marke, eine interaktive Suchfunktion inbegriffen. In der Natur einer solchen Lösung liegt die einfache Aktualisierung, wenn neue Anwendungszwecke definiert werden. So gibt es die Möglichkeit, die Brand aktuell zu halten, ohne dass man hier sammeln und in Zyklen aktualisieren muss.

Mit Neudenken von Corporate Design gewinnen

Aus meiner beruflichen Erfahrung heraus steht ein Corporate Design-Relaunch in Folge einer solchen Arbeitsweise oft auch dann an, wenn das Erscheinungsbild aufgrund dieser statischen Arbeitsweise aus dem Ruder gelaufen ist. Da muss dann geordnet und gesäubert werden, besser strukturiert werden, um wieder Konsistenz zu schaffen. Klar wird dabei dann auch ein Erscheinungsbild aktualisiert: neues Logo, neuer Claim, hier und da mal neue Bilder, neue Farben.
Wenn Sie dann in der Pressemitteilung des Unternehmens oder der Institution etwas von veränderten Markenwerten lesen und skeptisch eine Augenbraue hochziehen, glauben Sie ruhig, was Sie gerade denken: „Neue Markenwerte“ klingt halt viel aufregender als „wir dachten, wir sollten mal unser Zimmer aufräumen.“

Indem wir Corporate Design als durchgängigen Prozess begreifen, der Bestandteil jeder visuellen Kommunikationsmaßnahme ist und diese wieder integriert, sorgen wir für Konsistenz und minimieren Zeitaufwand und Kommunikation. Die Werkzeuge, die diese zentrale und integrative Arbeitsweise auf einfache und komfortable Art ermöglichen, sind seit Jahren vorhanden.
Die Zeit für Monitoring und Pflege des Corporate Designs wird sich im Allgemeinen schon bei den KMU-üblichen Unternehmensgrößen rentieren. Ein Corporate Design-Relaunch, notwendig durch ein seit zehn Jahren nicht aktualisiertes Erscheinungsbild, würde einen vergleichbar deutlich höheren Aufwand bedeuten.

Brand Management Tools:

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Brand Management Tools respektive interaktiver Design-manuals oder sogenannter Digitaler Asset Management-Plattformen:

Frontify: https://www.frontify.com/de/
Bynder: https://www.bynder.com
Pixx.io: https://www.pixx.io/
Corebook: https://www.corebook.io

um nur eine wenige zu nennen. Welches der vielen verfügbaren Systeme Ihre Bedürfnisse am besten abdeckt, sollten Sie gründlich evaluieren: Im Idealfall wird eine der Plattformen für lange Zeit das Zuhause für Ihre Marke.

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Corporate Design als Prozess

Ein Corporate Design wird meist nur im Ist-Zustand gedacht, selbst wenn in die Zukunft gedacht, sind die Prognosen für neu entstehende Anwendung und Medientypen zu unzuverlässig. Wenn man Corporate Design als Prozess begreift, kann Brand Management hier helfen.

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